Tagesordnungspunkt

TOP Ö 7: Richtlinie zur Förderung von "Dach- und Fassadenbegrünungen"

BezeichnungInhalt
Sitzung:26.11.2018   BA/010/2018 
Beschluss:Einstimmig beschlossen.
Vorlage:  30/021/2018 

Frau OB Seidel leitet ein, dass man mit der geplanten Förderung von Dach- und Fassadenbegrünung sozusagen in die dritte Dimension vorstoße.

 

Herr Schubert erläutert dem Gremium anhand einer dig. Präsentation den nachstehend näher beschriebenen Sachverhalt mit dem Fokus auf Doppelte und dreifache Innenentwicklung, d.h. Entwicklung der Flächenreserven im Siedlungsbestand nicht nur in maßvoller baulicher Nachverdichtung, sondern auf nachhaltiges Grün. Hier spielt die Erweiterung von Grünflächen eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit der Minimierung des Niederschlagsabflusses. Aktuell wurde die Dach- und Fassadenbegrünung bislang von der Stadt Ansbach nicht bezuschusst. Sollte sich das Modell bewähren würde nach Rücksprache mit der Regierung von Mittelfranken auf das Sanierungsgebiet ausgedehnt werden.

 

Seit langem wird in der Stadtentwicklung Ansbachs ein starkes Augenmerk auf die Innenentwicklung gelegt. Zuletzt hat sich der Stadtrat einstimmig in der Sitzung vom 24. Juli dafür ausgesprochen, dem Gebot der Innenentwicklung im Rahmen von Bautätigkeiten Vorrang zu geben. Die dort anvisierte Förderinitiative „Innen statt außen“ ermöglicht projektbezogen eine Aufstockung der Städtebaufördermittel von 60 auf 80 Prozent, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Sanierungsgebiete.

 

Unter Einbezug der vertikalen Ebene erhält die „Doppelte Innenentwicklung“ sogar eine Dritte Dimension, weshalb man von der „dreifachen Innenentwicklung“ spricht – die eine zunehmende Bedeutung erlangt. Sie impliziert die Entwicklung der Flächenreserven im Siedlungsbestand nicht nur in maßvoller baulicher Nachverdichtung, sondern auch mit Fokus auf qualitatives und quantitatives urbanes Grün. Dies sollte als Zeichen einer modernen Stadtentwicklung aktiv unterstützt werden.

 

Bisher ist eine Förderung von Begrünungen nur an Fassaden und in Höfen – und dies auch nur in den förmlich festgesetzen Sanierungsgebieten – im Rahmen des städtischen Fassaden- und Gestaltungsprogrammes möglich. Hierbei handelt es sich um durch Bund und Freistaat geförderte Maßnahmen, an denen die Stadt Ansbach nur den Komplementäranteil von 40% trägt.

 

Die Förderung von urbanem Grün außerhalb der Sanierungsgebiete hat noch ein hohes Potenzial. Insbesondere Dachbegrünung kann auch ein wirksames Mittel gegen die Überhitzung dicht bebauter Stadtquartiere und zur Pufferung von Regenwasser (auch) bei Starkregenereignissen sein. Dies kann jedoch bisher nicht gefördert werden. Vor dem Hintergrund der Wetterphänomene, die auch in Ansbach bereits in jüngerer Vergangenheit stattfanden und die in Zukunft Prognosen zufolge häufiger erleben werden, wäre eine flächendeckende Verbreitung von Dach- und Fassadenbegrünung sowie (Hof-)Entsiegelungsmaßnahmen von hoher Bedeutung, um die Stadt Ansbach gegen Starkregenereignisse und Hitzeperioden, wie sie diesen Sommer erlebt werden konnte, besser zu wappnen und so die Lebensqualität für die Bürger zu erhöhen sowie die Belastung der Infrastruktur zu reduzieren. Dies wäre ein Baustein einer zunehmend in den Fokus zu nehmenden Resilienzstrategie, mit denen sich viele Städte inzwischen befassen.

 

Folgende Vorschläge unterbreitet die Verwaltung deshalb in einem ersten Schritt:

 

1. Die in den förmlich festgesetzten Sanierungsgebieten förderfähige Maßnahme „Fassaden- und Hofbegrünungen“ im bestehenden „Fassaden- und Gestaltungsprogramm“ soll daher geändert und um Dachbegrünung ergänzt werden und außerdem soll

 

2. ein ergänzendes Förderprogramm Dach- und Fassadenbegrünung“ für Hauseigentümer im gesamten Stadtgebiet ins Leben gerufen werden. Die bisherige Fördermaßnahme „Hofbegrünungen“ bleibt weiterhin Teil des Fassaden- und Gestaltungsprogramms“.

 

Das neue Programm soll insbesondere eine Maßnahme in der städtischen Klimaanpassung darstellen. Hierbei kann nicht nur das Wohngebäude selbst, sondern auch die dazugehörige(n) Garagen(n) und/oder Carport(s) begrünt werden, um dem Ziel zu entsprechen, den Anteil versickerungsfähiger Oberflächen ebenso zu erhöhen wie einen Beitrag gegen die übermäßige Erhitzung im bebauten Bereich zu leisten.

 

Auch der Entwurf des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) sieht eine Erweiterung des bestehenden Förderprogramms vor, welches zu einem Förderprogramm „Dach- und Fassadenbegrünung“, ggf. mit Integration energetischer Maßnahmen, und einer dazugehörigen Bewusstseinsbildung, ausgeweitet werden soll. 

 

Begründet werden die Vorschläge dadurch, dass urbanes Grün nachweislich zu höherer Lebensqualität und der Attraktivität von Kommunen beiträgt. Es birgt enorme Potenziale und zahlreiche Vorteile:

         ökologische:

o   Pflanzen sind Sauerstoff- und Biomasseproduzenten

o   Lärmminderung (Dach: bis zu 3 dB) sowie Staubbindung und -filterung (10-20%) 

o   Regulierung des Wasserhaushalts

o   Grün ist Lebensraum und dient der Stärkung der Artenvielfalt und der Aufwertung des städtischen Freiraums

         klimatisch-energetische:

o   Gebäudeoptimierung:

à        Gebäude werden natürlich gedämmt – dies führt zu einer Steigerung der Energieeffizienz um bis zu 10 %

à        Materiallebensdauerverlängerung um 10–20 Jahre möglich durch

Schutz vor umweltbedingten Schäden wie Witterung, Schmutz, Solareinstrahlung etc.

o   Temperaturregulierung: kühlender Effekt durch Schattenwurf, Auflage  

und Verdunstung der Pflanzen

à        Bodentemperatur vermindert sich durch geringere „Rückstrahlung“ der Temperatur von Gebäuden und Böden  

o   Regenrückhalt, Verdunstung und Versickerung (Retention):      

à        hohe Wasseraufnahmekapazität sowohl in der Ebene (Grünflächen und Pflanzen auf Boden und Dach), als auch in der Vertikalen (Fassaden)

            à je nach Bauweise ist eine Regenrückhaltung von 40 bis 90 % gegeben (bei 6 cm extensiver Auflage bereits 59 %)

            àPufferung von Sturm- und Hagelschäden an Fassaden sowie auf Dächern

à Verdunstung von knapp 60-70 % der Jahresniederschläge möglich

à        Folgen hoher Versiegelung: es findet eine geringere Versickerung statt, so dass das Abflusssystem stärker belastet wird.

         gesundheitliche:

o   Verminderung von Hitzestress reduziert die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems

o   Aufenthaltsqualität steigt, damit findet längerer Aufenthalt im Freien für Spielen, Sport und Erholung statt

         soziale:

o   Schaffung neuer Orte der Begegnung

à        Vernetzung und Stärkung von Nachbarschaft/Quartier durch

gemeinsame Aktivitäten wie Sport, Urban Gardening, Imkern im Freien

à        Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Integration und Inklusion sowie bürgerschaftlichen Engagements (Ehrenamt)

 

Dies alles bringt langfristig finanzielle Vorteile für Hauseigentümer:

o   Kostenersparnis für Hauseigentümer durch

         natürliche Dämmung (Abkühlung im Sommer, Wärme im Winter) à geringere Heiz- und Kühlkosten

         geringere Niederschlagswassergebühren (vgl. § 11 (2) NIEDERSCHLAGSWASSERGEBÜHR der Stadt Ansbach: „Dachbegrünungen mit geschlossener Pflanzendecke, die an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen sind, werden nur mit der Hälfte der jeweiligen Fläche herangezogen“) à durchschnittlich 50 % Einsparung möglich (Vergleichswerte bundesweiter Durchschnitt)

         Steigerung des Immobilienwertes durch erhöhte Umgebungs-qualität/Zugewinn an mietaktiver Fläche

 

Besonders die sich häufenden Starkregenereignisse, von denen Ansbach im zunehmenden Maße betroffen zu sein scheint, stellen einen ernstzunehmenden Faktor dar, dem aus Sicht der Stadtentwicklung auch durch gezielte Maßnahmen der Entsiegelung begegnet werden kann.

 

Durch den Regenwasserrückhalt und die Minimierung des Niederschlagsabflusses, den Innenentwicklung sowohl in der Ebene (doppelte Innenentwicklung), als auch in Form von Dach- oder Fassadenbegrünungen (dreifache Innenentwicklung), erzielt, kann sie einen wirksamen Beitrag zum Hochwassersschutz leisten.

 

Ein Vorschlag seitens des Amts für Stadtentwicklung und Klimaschutz für die Richtlinien der neuen Förderung ist als Anlage beigefügt.

 

Da vorerst nur Hauseigentümer/innen, Hausverwaltungen (falls Einverständnis des Eigentümers vorliegt), Mietervereinigungen, Wohnungsbaugesellschaften oder sonstige Initiativen und Institutionen, die im Stadtgebiet Ansbachs Wohnraum schaffen bzw. ihn zur Verfügung stellen, antragsberechtigt sind, wird mittel- bis langfristig seitens der Stadtverwaltung empfohlen:

 

         das Programm auf Nichtwohngebäude (Einzelhandel, Gewerbe, Dienstleistung und öffentliche Einrichtungen) auszuweiten, da diese meist große Dach- und Fassadenflächen aufweisen und somit ein großes Potenzial mit Blick auf städtische Klimaanpassung bergen

         eine gesamtstädtische Grünstrategie, die u.a. die Festsetzung von urbanem Grün in Bebauungsplänen für Neubauten (sowohl für Wohn- als auch Nichtwohngebäude) von mindestens 20% in Form von ebenerdiger, Dach- oder Fassadenbegrünung, vorsieht, zu etablieren

         die Unterhaltungspflege ebenfalls zu fördern

 

Literatur- und Quellenverzeichnis:

 

          Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)  (o.J.): Weißbuch Stadtgrün

          Bundesverband GebäudeGrün e.V.

          Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e.V. (2013): Lebensqualität in der Stadt. Die Bedeutung von Freiräumen für Gesundheit, Freizeit und soziales Miteinander in Zeiten des demografischen Wandels

          Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Umwelt und Energie (BUE): DACHBEGRÜNUNG. LEITFADEN ZUR PLANUNG

          Technische Universität München (o.J.): Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern. Handlungsempfehlungen aus dem Projekt Klimaschutz und grüne Infrastruktur in der Stadt am Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung

 

Frau OB Seidel stellt fest, dass die Einführung der neuen Richtlinie eine sinnvolle Ergänzung im Hinblick auf das Luft- und Stadtklima und eine weitere Möglichkeit der Stadtgestaltung sei.

 

Aus dem Gremium heraus wird

 

·           zu dem Projekt die ungeteilte Zustimmung signalisiert. Weiter wird angeregt, im nächsten Haushalt mehr Mittel einzuplanen

 

·         vorgeschlagen, z.B.  das Gymnasium Carolinum auch zu begrünen. Herr Schubert antwortet, dass der Hof und die Fassade bereits jetzt im Rahmen des Fassadenprogramms gefördert werden. Die Dachbegrünung fällt derzeit nicht darunter. Dieser Punkt wird jedoch mit der Regierung von Mittelfranken geklärt, so dass eine Förderung mit den zu beschließenden Richtlinien konform sei.

 

·         angefragt, ob ein Einzelbaudenkmal auch begrünt werden könne. Herr Büschl erwidert, dass dies eine Einzelfallentscheidung sei, da es immer auf die Situation ankomme.


Beschluss:

 

Der Bauausschuss empfiehlt dem Stadtrat die neue Richtlinie „Dach- und Fassadenbegrünung“ als Handlungsgrundlage für die Verwaltung zu beschließen und die damit verbundenen Haushaltsmittel von zunächst 20.000 € für 2019 bereitzustellen, um somit einen Beitrag zur kommunalen Klimaanpassung in der Stadt Ansbach zu ermöglichen.