Tagesordnungspunkt

TOP Ö 1: "Bürgerbegehren - für ein Stadthaus ohne Außenaufzug";
Vollzug des Art. 18a BayGO

BezeichnungInhalt
Sitzung:19.12.2017   SR/014/2017 
Beschluss:Mehrheitlich beschlossen.
Abstimmung: Ja: 15, Nein: 10
Vorlage:  REF2/015/2017 
DokumenttypBezeichnungAktionen
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Frau OB Seidel verweist einführend auf die am 21.09.2017 in der Stadtratssitzung gefassten Beschlüsse:

 

  • einstimmiger Beschluss zur barrierefreien Erschließung des Stadthauses
  • mit 22 : 15 Stimmen mehrheitlich beschlossen, den Standort eines Außenaufzuges an der Südseite weiterzuverfolgen.

 

Am 10.10.2017 wurde mehrheitlich (21:16 Stimmen) beschlossen bzw. konkretisiert, für die barrierefreie Erschließung des Stadthauses den Entwurf basierend auf der Visualisierung des Architekten Friedrich für einen Außenaufzug an der Südseite ausschließlich weiterzuverfolgen und die entsprechenden Planungsmittel verbindlich im Haushalt 2018 zur Verfügung zu stellen.

 

Anschließend wurde ein Bürgerbegehren gegen einen Außenaufzug am historischen Stadthaus angestrengt.

 

Im Raum steht nunmehr die Entscheidung, den Beschluss des Stadtrates, einen Außenaufzug zu bauen, aufzuheben und damit dem Bürgerbegehren gem. Art. 18 a Abs. 14 GO zu entsprechen, oder ein Bürgerentscheid durchzuführen mit der Option einen Ratsentscheid entgegenzustellen. Wenn weiter das Ziel verfolgt werden soll, einen Außenaufzug zu bauen, wird die Durchführung eines Bürgerentscheides evtl. mit Ratsentscheid, notwendig. Wenn eine andere Lösung, ein Innenaufzug, angestrebt wird, kann dieses in Umsetzung des einstimmigen Beschlusses für ein barrierefreies Stadthaus auch noch 2018 beraten werden.

 

Herr Büschl wirft einen Blick auf den bisherigen Verlauf zur Aufzugserschließung des Stadthauses sowie den Innenaufzug und zeigt anhand einer Präsentation nochmals die Visualisierung des Architekten Friedrich. Anschließend geht er näher auf die rechtliche Situation zwischen den widerstreitenden Belangen der Denkmalpflege mit denen der Barrierefreiheit ein und ergänzt zur bauordnungsrechtlichen Situation des Stadthauses.

 

Herr Kleinlein führt aus, dass am 07.12.2017 die Unterschriftslisten zum Bürgerbegehren für ein Stadthaus ohne Außenaufzug von zwei Vertretern und dem Stellvertreter eines Vertreters des Begehrens an Oberbürgermeisterin Seidel übergeben wurden

 

Nach erfolgter Prüfung ist folgendes festzustellen:

 

  • es liegen 3063 gültige Unterschriften vor (notwendig sind 2305 Eintragungen),
  • es handelt sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises,
  • es liegt kein Ausschlussgrund des Art. 18a Abs. 3 BayGO vor,
  • die Fragestellung entspricht den Anforderungen des Art. 18a Abs. 4 BayGO,
  • die sonstigen Formvorschriften (Fragestellung, Begründung) sind erfüllt. Dabei traten folgende Besonderheiten auf:

 

a) Vertreter

 

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 der Satzung zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden (BBS) der Stadt Ansbach müssen die Listen … „bis zu drei geschäftsfähige, aber nicht notwendigerweise in der Gemeinde wahlberechtigte Personen mit Namen und Anschrift benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.“. Gem. § 2 Abs. 6 BBS sind die Eintragungen bei einem Verstoß hiergegen ungültig.

 

Im  vorliegenden Fall wurden zu den Vertretern keine Anschriften genannt.

Der Kommentierung hierzu lässt sich entnehmen: „Werden die Vertreter ohne Adresse benannt, dürfte in der Regel wegen der räumlich nicht möglichen Eingrenzung eine Identifizierung ausgeschlossen sein. Das Bürgerbegehren müsste folglich aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen werden." Dies bedeutet nach Aussage der Rechtsaufsichtsbehörde, die zu diesem Thema befragt wurde jedoch umgekehrt, dass trotz fehlender Adressangabe der Vertreter bei der Möglichkeit einer eindeutigen Identifizierung die formalen Aspekte in den Hintergrund treten können.

 

Die Abfrage der Einwohnermeldedaten ergab konkret folgendes Ergebnis:

Ein Vertreter ist eindeutig identifizierbar. Bei der Abfrage des zweiten Vertreters erscheinen 2 Treffer in den Meldedaten, davon allerdings 1 Eintrag mit früherer Hauptwohnung. Die Abfrage des dritten Vertreters brachte gar kein Ergebnis. Erst eine erneute Abfrage mit veränderter Schreibweise des Vornamens brachte einen Treffer.

 

Hinsichtlich der Stellvertreter der Vertreter, für die ebenfalls keine Adresse angegeben wurden, ergibt sich folgendes Bild: bei zwei Stellvertretern ist eindeutige Identifizierbarkeit im genannten Sinne (=durch Recherche zu ermitteln) gegeben. Eine Person mit der Kombination aus Vor- und Nachname des dritten Stellvertreters existiert in den Verzeichnissen der Stadt Ansbach nicht. Durch Weglassen eines Buchstabens des Nachnamens wird diese Person jedoch identifizierbar. Da dieser Stellvertreter bei der Übergabe der Unterschriftslisten persönlich anwesend war, ist dies laut Aussage der Rechtsaufsichtsbehörde ausreichend, um die fehlende Adressangabe als unbeachtlich erscheinen zu lassen.

 

Diese Rechtsauffassung der Rechtsaufsichtsbehörde zu dem Fehlen von Adressangaben und deren Feststellung im Wege der Amtsermittlung wird von der Verwaltung kritisch gesehen. Die Angabe der Adressen der Vertreter eines Bürgerbegehrens samt korrekter Schreibweise der Vor- und Zunamen dient nicht nur der Ermittelbarkeit der Vertreter, sondern (auch) der Kenntnis der Unterschriftsleistenden von den Vertretern des Begehrens. Während die Stadtverwaltung im Wege der Recherche der Einwohnermeldedaten die unterbliebenen Adressangaben zu ergänzen vermag, bleibt diese Möglichkeit dem Bürger verwehrt. Diese Tatsache für sich alleine muss jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Begehrens führen, da, wie oben ausgeführt, für die Verwaltung die Möglichkeit der Identifizierung der Vertreter besteht.

 

b) Fortlaufende Nummerierung der Unterschriften

 

Nach § 3 Abs. 1 S. 2 BBS sind die Eintragungen „eigenhändig zu unterschreiben und innerhalb eines Bogens oder Heftes fortlaufend zu nummerieren“. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Zwar enthalten die Listen in der letzten Spalte ein leeres Feld. Dies wurde aber zum einen nicht genutzt und könnte zum anderen für amtliche Vermerke (§ 2 Abs. 5 BBS) vorgesehen sein.

Da es sich hierbei um einen rein formalen Verstoß handelt, führt dieser für sich allein nicht zur Unzulässigkeit des Begehrens.

 

c) Gestaltung der Rückseite der Listen

 

Nach § 2 Abs. 3 S. 1 BBS können Unterschriftenlisten „doppelseitig gestaltet sein, wenn die Rückseite als Fortsetzung des Textes der Vorderseite klar erkennbar ist.“. Ist dies nicht der Fall, wären gem. § 2 Abs. 6 BBS die Eintragungen ungültig.

 

Die Rückseite der übergebenen Listen trägt die Überschrift „Bürgerbegehren – für ein Stadthaus ohne Außenaufzug“. Textlich wird nicht Bezug genommen auf die Vorderseite, es ist auf der Rückseite auch kein Vermerk wie "bitte wenden", „Fortsetzung“ o.ä. angebracht. Darüber hinaus befindet sich auf den Rückseiten der Listen oben rechts eine fortlaufende Nummerierung der Blätter. Diese Nummerierung ist nur auf den Rückseiten vorhanden. Eine Durchnummerierung von Blättern auf deren Rückseite ist unüblich. In Zusammenhang mit der fehlenden Nummerierung der Unterschriftszeilen (vgl. b) entsteht der Eindruck, es handele sich bei der Rückseite um die einzige Seite des Blattes. Eine Person, der nur die Rückseite der Unterschriftsliste vorgelegt wird, findet auf dieser keine Veranlassung, das Blatt umzudrehen. Dies könnte durch verschiedene Gestaltungsmerkmale erreicht werden. Von diesen wurde im vorliegenden Fall aber kein einziges verwendet. Das Erfordernis, dass " die Rückseite als Fortsetzung des Textes der Vorderseite klar erkennbar ist" erscheint aus diesem Grund problematisch.

 

Die zu dieser Problematik angerufene Rechtsaufsichtsbehörde äußert sich wie folgt: es sei zwingend, dass die Unterzeichner eines Bürgerbegehrens auf den Unterschriftenlisten insbesondere die Fragestellung, die Begründung und die Vertreter entnehmen können. Bei der beidseitigen Verwendung eines Unterschriftenblattes genüge es aber, dass Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertreter eines Bürgerbegehrens auf der Vorderseite einer Unterschriftenliste aufgeführt sind. Denn grundsätzlich kann und muss davon ausgegangen werden, dass ein Unterzeichner liest, was er auf der Unterschriftenliste unterschreibt.

 

Dieser Auffassung, die auf einem Beschluss des BayVGH vom 04.02.1997 basiert, ist im Grundsatz zuzustimmen. Gerade aber bei dem Begehren, welches diesem Beschluss des BayVGH vom 04.02.1997  zugrunde lag, konnte von der Rückseite tatsächlich ein Bezug zur Vorderseite der Liste hergestellt werden: es wurde eine durchlaufende Nummerierung verwendet (auf der Rückseite befanden sich die laufenden Nummern 6-30), zudem waren auf der Rückseite noch einmal die Fragestellung, der Antrag und die Vertreter abgedruckt, lediglich die Begründung fand sich nur auf der Vorderseite. Allein durch die fortlaufende Nummerierung konnte hier jedem Unterschriftsleistenden klar werden, dass sich die lf. Nummern 1-5 auf der Vorderseite befinden mussten.

 

Ein Rückschluss auf die Zulässigkeit des Begehrens "Für ein Stadthaus ohne Außenaufzug" kann deshalb nach Meinung der Verwaltung aus dem Beschluss des BayVGH vom 04.02.1997 nicht zweifelsfrei abgeleitet werden, da die dort vorhandenen Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Vorderseite im Falle des Bürgerbegehrens "Für ein Stadthaus ohne Außenaufzug" komplett fehlen.

 

Die Gesamtheit der erörterten Mängel könnte bei strikter Auslegung durchaus zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führen. In wohlwollender Auslegung – insbesondere auch zugunsten des hier vielstimmig geäußerten Bürgerwillens – ist nach Ansicht der Verwaltung die Annahme der Zulässigkeit des Begehrens jedoch noch vertretbar.

 

Frau OB Seidel weist darauf hin, dass ein Bürgerbegehren entsprechend der vorgegebenen Formalien stattzufinden hat und diese eben zu beachten seien. Unter Einbeziehung der Rechtsaufsichtsbehörde wurde die Zulässigkeit des Begehrens überprüft, um Angriffspunkte, egal von welcher Seite, zu vermeiden. Außerdem nennt sie Kosten in Höhe von ca. 100.000 € für das Bürgerbegehren, da in Ansbach beschlossen wurde, die Unterlagen jedem Bürger automatisch per Post zuzusenden.

 

Abschließend verweist sie noch auf den eingereichten Antrag der SPD-Fraktion:

 

1.    Der Beschluss des Stadtrates vom 10.10.2017, die Planung des Aufzugs an der Südseite des Stadthauses voranzutreiben, wird aufgehoben.

 

2.    Zur Umsetzung des einstimmigen Stadtratsbeschlusses vom 21.09.2017, das Stadthaus barrierefrei zu erschließen, wird ein Wettbewerb beantragt, wie die Barrierefreiheit des öffentlichen Verwaltungsgebäudes zu seiner weiteren Nutzung bestmöglich umgesetzt werden kann.

 

Sie bringt zum Ausdruck, dass an der Ziffer 2 rechtlich problematisch sein könne, wenn damit nicht eindeutig dem Zweck des Bürgerbegehrens entsprochen wird. Denn im Ergebnis könnte dies auch auf einen Außenaufzug hinauslaufen.

 

In der anschließenden Diskussion

 

  • wird von Herrn Dr. Kupser grundsätzlich auf die Thematik Aufzug Stadthaus, Denkmalschutz, Barrierefreiheit, Bürgerbegehren und die klare Positionierung der Ansbacher Bürgerinnen und Bürger durch über 3000 Unterschriften eingegangen, er spricht von einem stadtbildzerstörenden Außenaufzug, und er spricht sich gegen einen Außenaufzug am historischen Stadthaus aus,

 

  • beantragt Herr Dr. Schoen die Aufhebung der Beschlüsse, mit denen ein Außenaufzuges an der Südseite weiterverfolgt werden soll,

 

  • beantragt Herr Seiler, die Planungskosten für den Außenaufzug zu streichen und einen Innenaufzug zu bauen und dies ohne Beeinträchtigung des Stadtbildes,

 

  • erklärt Herr Gowin, dass die SPD-Fraktion Punkt 1 ihres Antrages aufrechterhält und bei Punkt 2 auf die Beantragung eines Wettbewerbs verzichtet und dass die Möglichkeit eines Innenaufzuges weiterverfolgt werden soll,

 

·         plädiert die CSU-Fraktion dafür, die Bürger entscheiden zu lassen, da sowohl 2012 ein Innenaufzug, als auch jetzt ein Außenaufzug von diesen abgelehnt wurde. Auch ohne rechtliche Verpflichtung gebe es aber den gesamtpolitischen Willen, öffentliche Gebäude Schritt für Schritt barrierefrei zu erschließen.

 

  • ist Herr Stephan der Auffassung, dass alle Unterschriften auf der Rückseite des Bürgerbegehrens nicht mitgezählt werden dürften, da die eigentliche Frage auf der Rückseite nicht wiederholt und die Unterschriftszeilen nicht fortlaufend nummeriert sind und somit für den Bürger nicht erkennbar war, was auf der Vorderseite steht. Er favorisiert den Innenaufzug,

 

  • erinnert Herr Meyer an die beschlossenen Planungsmittel für ein barrierefreies Standesamt, ein Gebäude mit mehr Frequenz und mit mehr Nutzen für die Bürger.

 

Frau OB Seidel betont nochmals, dass der Stadtrat am 21.09.2017 einstimmig entschieden habe, das Stadthaus barrierefrei zu erschließen. Dies sei auch richtig. Alle öffentlichen städtischen Gebäude müssten früher oder später Schritt für Schritt barrierefrei erschlossen werden. Barrierefreiheit hat in den letzten Jahren einen wesentlich höheren Stellenwert bekommen.

 

Sie weist auch nochmals ausdrücklich darauf hin, dass im neuen Schrammhaus aufgrund der Größe kein barrierefreier Sitzungssaal umgesetzt werden kann. Auch dahingehend habe sich die Situation seit 2012 verändert.

 

Nach ausführlichem Meinungsaustausch unterbricht Frau OB Seidel die Sitzung für ca. 15 Minuten, um sich mit den Fraktionsvorsitzenden auszutauschen.

 

Frau OB Seidel führt die Sitzung nach der Unterbrechung weiter. Sie macht deutlich, dass an dem grundsätzlich erklärten Willen und dem Beschluss des Stadtrats barrierefrei zu erschließen, festgehalten wird. Im nächsten Jahr kann man dann das Thema barrierefreie Erschließung wieder aufnehmen.

 

Sie macht folgenden Beschlussvorschlag:

 

Dem Bürgerwillen soll insofern entsprochen werden, in dem die gefassten Beschlüsse

 

-       vom 21.09.2017: den Standort eines Außenaufzuges an der Südseite weiterzuverfolgen und

-       vom 10.10.2017: für die barrierefreie Erschließung des Stadthauses der Entwurf des Architekten Friedrich für einen Außenaufzug ausschließlich weiterzuverfolgen und die entsprechenden Planungsmittel verbindlich im Haushalt zur Verfügung zu stellen,

 

aufgehoben werden.