Tagesordnungspunkt

TOP Ö 5: Hilfen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge -Sachstand-

BezeichnungInhalt
Sitzung:29.09.2015   JHA/003/2015 
Beschluss:Dient zur Kenntnis.
Vorlage:  12/020/2015 
DokumenttypBezeichnungAktionen
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Herr Nießlein gibt einen aktuellen Überblick über die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UM). Eine ausführliche Berichterstattung erfolgt durch Frau Schermer, die gerne für Fragen zur Verfügung steht. Frau Schermer obliegt die Betreuung/Begleitung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge als Aufgabenschwerpunkt im Sozialdienst. Die vorgetragene Powerpoint-Präsentation wird mit dem Protokoll versandt.

 

Herr Nießlein führt weiter aus, dass davon ausgegangen wird, dass bis zum Jahresende der Stadt Ansbach weitere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zugewiesen werden, für die es nötig sein wird, weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen. Die Stadt Ansbach als öffentlicher Jugendhilfeträger ist verpflichtet, die Unterbringung sicherzustellen. Derzeit sind in der Breitstraße, im Kastanienhof und in Kurzendorf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. In der Gemeinschaftsunterkunft Naglerstraße leben bisher 9 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in Begleitung älterer Geschwister oder Verwandter sind, aber als unbegleitet gelten.

Die weitere Gewinnung von weiteren freien Trägern ist notwendig.

 

Frau Freitag gibt zu bedenken, dass das Jugendamt, trotz Gewinnung von freien Trägern, nicht aus der Verpflichtung genommen wird. Viele Hilfen laufen und müssen fachlich begleitet werden. Die Einwicklung jedes einzelnen Kindes/Jugendlichen muss im Auge behalten werden. Eine Vertretung von Frau Schermer für die Bezirkssozialarbeit ist deshalb unbedingt erforderlich.

 

Herr Nießlein schlägt vor, dies bei den Stellenberatungen einzubringen.

 

Frau Schermer stellt sich kurz vor und erläutert anhand einer Powerpoint-Präsention ausführlich die Arbeit des Jugendamtes im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Des weiteren erklärt sie den gesetzlichen Handlungsrahmen.

 

Bei ausländischen Minderjährigen, die unbegleitet nach Deutschland kommen, bedarf es nicht der Voraussetzung einer individuellen Kindeswohlgefährdung. Allein die Feststellung der unbegleiteten Einreise und die Tatsache, dass sich kein Personensorgeberechtigter im Inland aufhält, verpflichtet das Jugendamt zu einer Inobhutnahme. Die Einreise eines ausländischen Minderjährigen gilt auch auch dann als unbegleitet, wenn er sich in Obhut einer nicht erziehungsberechtigten Person befindet, z.B. in Begleitung von Verwandten.

 

Das Jugendamt hat für das Wohl des Minderjährigen zu sorgen. Neben der Erstversorgung, der Betreuung im Alltag, der Erziehung und Entwicklungsförderung, der mittelbaren und pädagogischen Leistungen bedarf das Kind oder der Jugendliche seinem Alter und seinem Entwicklungsstand entsprechenden Schutz sowie Bewältigungshilfen für die individuell erlebte Gefährdungssituation. Weiterhin ist das Jugendamt berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind. Für die in Obhut genommenen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen ist unverzüglich (innerhalb von drei Werktagen) die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Aktuell ist der Vormund des Amtes für längere Zeit erkrankt. Eine Rückkehr ist ausgeschlossen.

 

Am 02.01.2015 sind 4 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Ansbach angekommen und wurden in der Außenwohngruppe Breitstraße untergebracht. Der Kastanienhof Ansbach hat die Trägerschaft übernommen.

 

Aufgriffsfälle im Stadtgebiet werden derzeit in Hotels untergebracht. Das Jugendamt muss dann die Versorgung und Betreuung der Jugendlichen selbst übernehmen. Bei den Hotelbetreuungen sind jedoch sehr hohe Abgangszahlen zu verzeichnen.

 

Während in der Gemeinschaftsunterkuft Naglerstraße die Wohnverhältnisse nicht kindeswohlgefährdend sind und zugleich viele Kinder und Jugendliche dort ankamen, sind inzwischen auch einzelne Kinder und Jugendliche in den Gemeinschaftsunterkünften „Hotel Christel“, Obereichenbach und Reiterzentrum angekommen, was die Situation für das Amt nicht mehr so einfach gestaltet, sondern zum Handeln auffordert.

 

Am 31.07.2015 erhielten alle Jugendämter in Bayern den „Maßnahmeplan UM“ des bayerischen Staatsministeriums. Im Juni waren in Bayern über 9.200 UM in der Zuständigkeit der Jugendämter. Um die Aufgriffskommunen zu entlasten, wird dem Inkrafttreten der bundesgesetzlichen Änderungen vorgegriffen und die UM werden gleich nach der Inobhutnahme in einem Zuweisungsverfahren an andere Jugendämter im Rahmen der Amtshilfe verteilt. Für die Stadt Ansbach war zu diesem Zeitpunkt ein Zuweisungskontingent bis Endes des Jahres von 35 UM benannt. Dies hat sich jedoch erübrigt, da diese Berechnung noch vor den Ereignissen der zwischenzeitlich enorm angewachsenen Zugangszahlen entstand. Zum 24.08.2015 sollte das Jugendamt für die Übernahme von weiteren 10 UM bereit sein.

 

Es musste eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit gefunden werden. Am 05.08.2015 fand deshalb ein Gespräch mit dem Referenten, der Amtsleitung sowie der Geschäftsführung der AWO statt, bei dem vereinbart wurde, das die AWO die Trägerschaft für die Wohngruppe in Kurzendorf übernimmt und die Ausstattung der Einrichtung von Jugendamt (Frau Schermer) geleistet wird. Mit Handvorschüssen etc. wurde dann die Wohngruppe in Kurzendorf entsprechend einrichtet. Bislang entstanden Kosten in Höhe von rd. 12.000,00 €. Von der AWO wurde mitgeteilt, dass es ihnen nicht möglich ist, in der Kürze der Zeit genügend Personal zu stellen und dass zum Eröffnungstermin in der Wohngruppe nur 2 Lehrerinnen zur Verfügung stehen.

 

Frau Schermer führt weiter aus, dass das Personal der AWO lediglich zur Abdeckung einzelner Schichten zur Verfügung stand, alles weitere, wie Einkäufe, Arztbesuche wurden weiterhin durch sie übernommen. Die Betreuung und Versorgung der Jugendlichen wird seit nunmehr 6 Wochen durch den Einsatz von den Fachkräften des Amtes (Sozialdienstes, Streetwork und Jugendzentrum) sowie dem Einsatz eines Security-Dienstes geleistet.

 

Auf Dauer ist dies mit dem vorhandenen Personal nicht leistbar.

 

Aktuell ist die Wohngruppe in Kurzendorf mit 19 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen belegt. Platz ist eigentlich nur für 14 UM vorhanden.

 

Ab 01.10.2015 wird die AWO die Trägerschaft für die Wohngruppe in Kurzendorf übernehmen.

 

 

 

Frau Schermer ist der Meinung, dass eine umfangreiche Integration von erwachsenen Flüchtlingen eher die Ausnahme als die Regel sein wird. Nicht alle sind freiwillig aus ihrer Heimat weggegangen, sondern wurden u.a. von den Eltern weggeschickt. Bei der Zielgruppe UM wird gerade durch die Verantwortlichkeit der Jugendhilfe das Verhältnis genau umgekehrt sein, sprich eine nicht gelungene Integration wird eher die Ausnahme sein.

 

Frau Schermer weist darauf hin, dass sich die Fallzahlen der Heimfälle innerhalb weniger Monate verdoppelt hat. Für die Bearbeitung dieser Fälle stehen dem Sozialdienst 19,5 Std. zur Verfügung. Die Abt. wirtschaftliche Jugendhilfe hat kein zusätzliches Zeitkontingent erhalten. Im Bereich der UM sind die Kostenerstattungsansprüche jedoch an enge zeitliche Fristen gebunden. Ein weiteres Problem wird auch sein, dass nicht mehr genügend sozialpädagogische Fachkräfte vorhanden sind. Um ein einzelbetreutes Wohnen in größerer Anzahl umzusetzen, müsste man, da das Personal der ambulanten Jugendhilfeanbieter hierfür nicht ausreicht, vermehrt mit Honorarkräften arbeiten.

 

Aktuell werden für 5 UM Pflegefamilien überprüft. Die Unterbringung in Pflegefamilien ist ein weiterer wichtiger Unterbringungsfaktor.

 

Frau Schermer geht davon aus, dass bis zum Ende des Jahres evtl. über 100 UM versorgt werden müssen. Mit dem vorhandenen Personal ist dies nicht mehr zu bewältigen, da immer mehr Aufgaben zu übernehmen sind. Die Rückstände in der  Bezirkssozialarbeit und in der Abt. WiHi steigen immer weiter. Im Bezirk erhöhen diese Rückstände die Gefahr von Kindeswohlgefährdungen, in der Abt. WiHi kosten die Rückstände viel Geld.

 

Frau OB Seidel bedankt sich bei Frau Schermer für den ausführlichen Bericht.

 

Frau OB Seidel macht deutlich, dass die Situation bei der Stadt Ansbach keinen Sonderfall darstellt, in vielen anderen Städten und Kommunen ist die Situation ähnlich angespannt. Alle befinden sich in einer prekären Situation und werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Verschärft wird die Situation durch einen fehlenden adäquaten gesetzlichen Rahmen. Die gesetzliche Basis ist oftmals unbeweglich, was pragmatische Lösungen erschwert. Es wird jedoch versucht, sich so gut wie möglich mit der ganzen Asylthematik auseinanderzusetzen. Das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sehr hoch und alle leisten sehr viel, auch weit über die normale Arbeitszeit hinaus. Die Thematik muss und wird weiterhin im Auge behalten und so gut wie möglich reagiert. Frau OB Seidel stellt klar, dass Schritt für Schritt mehr Stellen benötigt werden, um die gesetzlichen Vorschriften zu erfüllen.

 

Herr Meyer spricht ebenfalls seinen Dank für den Vortrag an Frau Schermer aus. Seiner Meinung nach, war der Flüchtlingsstrom vorhersehbar.

 

Die zusätzlich benötigten Stellen wurden bereits im Vorfeld von seiner Fraktion beantragt. Jetzt müssen diese endlich geschaffen werden.

 

Frau Frauenschläger dankt dem Jugendamt, Sozialamt etc. für die bisher geleistete Arbeit.

 

Sie bittet Frau OB Seidel über den Deutschen Städtetag, auf höherer Ebene, zu intervenieren, die Gesetzeslage bei der Einreise mit Verwandten zu lockern, um in diesen speziellen Fällen weniger bürokratisch handeln zu können. Derzeit benötigen UM immer einen Vormund, auch wenn diese mit Verwandten einreisen, aber ihre Eltern nicht dabei sind.

 

Frau OB Seidel erklärt, dass sich die Städte zur Flüchtlingsthematik ständig im Austausch befinden, was jedoch nur bedingt Erfolg zeigt.

 

Lt. Herrn Nießlein besteht das Kardinalproblem darin, dass die Personalkosten für die Verwaltung nicht erstattet werden.

 

Frau OB Seidel führt weiter aus, dass es schon helfen würde, wenn die Kommunen Zuschüsse für alle anfallenden Personalkosten bekämen. Lediglich die Kosten für Hausmeister werden ersetzt. Hier muss weiter „nachgebohrt“ werden.

 

Frau Freitag sieht die Notwendigkeit von Vormundschaften für von Verwandten begleiteten UM weiterhin, da diesen Verwandten die rechtliche Vertretung und Erziehungsverantwortung nicht übertragen werden kann, weil sie selbst kein Deutsch sprechen und nicht die nötige Erfahrung und Rechtskenntnis haben, die Kinder verantwortungsvoll betreuen und vertreten zu können. Deshalb kommt das Jugendamt hier nicht aus seiner Verantwortung.

 

Frau OB Seidel erklärt, dass die Stadt Ansbach bezüglich der Betreuung und Unterbringung der UM an ihre Grenzen gekommen ist. Es wird versucht, gemeinsam Pläne zu machen, diese werden jedoch immer wieder von den steigenden Flüchtlingszahlen überholt. Derzeit kommen ca. 19 Flüchtlinge pro Woche an.

 

Herr Loos macht darauf aufmerksam, dass neue Jugendliche „ungecleart“ kommen und einen extrem hohen Aufwand verursachen. Es wären nach seiner Einschätzung mindestens 2 zusätzliche Stellen in der Verwaltung notwendig. Er möchte wissen, welche Möglichkeiten bestehen, um schneller agieren zu können. Hier seien dringend Lösungen zu suchen.

 

Frau Dr. von Blohn widerspricht der Aussage von Herrn Meyer. Sie sie der Meinung, dass ein Zugang von UM in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar war. Jetzt müssten pragmatische Lösungen für die Unterbringung und Betreuung durch Fachkräfte gefunden werden.

 

Frau Freitag erwidert, dass die Betreuung schon jetzt nicht mehr im Jugendhilfe-, sondern im Notfallmodus läuft.

 

Frau Dr. von Blohn ist der Ansicht, dass in den Gremien entsprechende Lösungsvorschläge benötigt werden, um dann die nötigen Schritte einzuleiten.

 

Frau OB Seidel verweist zu diesem Vorschlag wieder auf den bereits stattgefunden „Kleinen Asylgipfel“. Nachdem sich beteiligte Fachkräfte bei dieser Gelegenheit bereits abgestimmt haben, werden die verschiedenen Dinge jetzt umgesetzt. So wurde u.a. beschlossen, zusätzlich zu dem Jourfixe auf der obersten Leitungsebene eine regelmäßige Abstimmung der Fachbereiche durchzuführen.

 

Frau Homm-Vogel begrüßt die Durchführung des „Kleinen Asylgipfels“ und wünscht in der nächsten Stadtratssitzung einen umfassenden Bericht zu dem derzeitigen Sachstand zum Thema Asyl.

 

Frau OB Seidel lehnt dieses Ansinnen ab, da derzeit eine zu hohe Arbeitsbelastung keine Berichterstattung zulässt.

 

Herr Fabi schließt sich den Vorrednern an und ergänzt, dass bei den Zahlen nicht nur von Asylanten etc. gesprochen werden müsste, sondern auch vom Personal. Hier sei eine Entlastung durch eine Stellenmehrung erforderlich.

 

Frau Freitag meint dazu, dass bei genügend Personal auch eine bessere Vorausplanung möglich wäre. Durch den dringlichen Bedarf an Räumlichkeiten für UM befindet sich die Stadt Ansbach in einer ungünstigen Verhandlungsposition gegenüber potentiellen Vermietern.

 

Frau OB Seidel meint, dass Vermietern natürlich bewusst sei, dass die Stadt Ansbach dringend Räume braucht.

 

Herr Meyer erwähnt, dass die Gesundheitsfürsorge bei den UM ein sehr großes Problem darstellt, und bittet Frau OB Seidel sich über den Deutschen Städtetag dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge eine Gesundheitskarte erhalten können.