Tagesordnungspunkt

TOP Ö 8: Standort der Skulptur „Lilith“

BezeichnungInhalt
Sitzung:09.09.2020   SKA/002/2020 
Beschluss:In die Fraktionen verwiesen.
Vorlage:  52/001/2020 

Bürgermeisterin Elke Homm-Vogel schlägt vor, die Vorentscheidung zum Standort der Skulptur „Lilith“ in die Fraktionen zu verweisen.

 

In einer lebhaften Diskussion mit Einbeziehung verschiedener juristischer Urteile, Vorschläge zum weiteren Vorgehen, Einbeziehung der Künstlerin Tesche-Mentzen, Resümees zum Umgang mit der Thematik in der Vergangenheit, stellt Stadtrat Dr. Christian Schoen den Antrag, im Schul- und Kulturausschuss drei Standorte als Vorschlag an den Stadtrat zu beschließen.

Da die überwiegende Meinung besteht, die Fraktion zu beraten lassen, zieht Dr. Schoen seinen Antrag zurück.

 

I.          Sachstand

Herr Oberbürgermeister Deffner hat um juristische Prüfung gebeten, ob und inwieweit durchgreifende urheberrechtliche Bedenken gegen den aktuellen Standort der Skulptur „Lilith“ am Karl-Burkhardt-Platz bestehen, welche Anfang Juli 2020 an dieser Stelle aufgestellt worden ist.

Die Prüfung ist notwendig, da der Rechtsbeistand des Urhebers des Simon-Marius-Denkmals, Friedrich Schelle, welches im Jahr 1991 errichtet worden ist, Herr Rechtsanwalt Dr. Alfred Meyerhuber, angekündigt hat, die Entfernung der Skulptur von diesem Standort zivilrechtlich einzufordern.

Nach juristischer Prüfung durch das Rechtsamt hat der Urheber des Simon-Marius-Denkmals aufgrund §14 UrhG einen Anspruch auf Beseitigung der Skulptur „Lilith“. Weitere Ausführungen erfolgen mündlich.

 

II. Standortprüfungen

Zur besseren Übersicht finden Sie im Folgenden eine Karte aller Skulpturen, die im öffentlichen Raum im Innenstadtbereich der Stadt Ansbach präsentiert werden:

 

 

 

 

Nummer

Skulptur

Standort

1

Luitpoldbrunnen

Bahnhofsplatz

2

Verführung

Kulturzentrum Karlsplatz

3

Uz - Denkmal

Hofgarten

4

Stahlskulptur ohne Titel

Leonhart-Fuchs-Garten

5

Platen-Denkmal

Schlossplatz

6

Anscavallo

Schlossplatz

7

Musen

Theater Ansbach Vorplatz

8

Obelisk

Theater Ansbach

9

Simon-Marius-Denkmal

Karl-Burkhardt-Platz

10

Büste von Johann Bernhard Endres

Johann-Sebastian-Bach-Platz 24

11

Herzog Albrecht von Brandenburg

Reitbahn

12

Zwei Engel

Gumbertusplatz

13

Denkender Kopf

FOS / Jugendzentrum

14

Kaspars Baum

Montgelasplatz

15

Lech und Malsche

Johann-Sebastian-Bach-Platz

16

Horizontale Entwicklung

Martin-Luther-Platz

17

Der schmale Grat

Martin-Luther-Platz

18

AnsBACH-Säule

Martin-Luther-Platz

19

Kriegerdenkmal

St. Johannis Südturm

20

Güllbrünnlein

St. Johannis

21

Flötenspieler

Zumach-Gärtchen

22

Die unbekannte Schöne

Zumach-Gärtchen

23

Ernst von Bandel

An der Stadtmauer

24

Gebt unsere Kriegsgefangenen frei

Hinter dem Tor

25

Segment der Berliner Mauer

An der Riviera

26

Mann mit Koffer

Brücke zum Brückencenter - An der Riviera

27

Frau mit Koffer und Hund

Brücken-Center Vorplatz

28

Poseidon

Hochschule Ansbach

29

Bonhoefferhof

Platenstraße

30

Kaspar-Hauser-Denkmal

Platenstraße

31

Lausbubenbrunnen

neben Gymnasium Carolinum

32

Fortuna

Promenade

33

Ruhende auf dem Stein

Promenade

34

Flötenspielerpaar

Sparkassenplatz

35

Asparago Grande

Herrieder Tor

36

Zeitsprung

Karlsplatz

37

Der Drachenkämpfer

Tagungszentrum Onoldia, Foyer

38

St. Gumbertus

Hohenzollernring

39

Naga instable

Angletplatz

 

Damit die Skulptur „Lilith“ der Künstlerin Antje Tesche-Mentzen im öffentlichen Raum an einem neuen Standort angemessen repräsentiert werden könnte, wurden zur Standortfrage folgende Institutionen um Stellungnahme gebeten:

·         Arbeitsgruppe Skulpturenmeile (Kerstin Himmler-Blöhß, Hannes Hüttinger, Thomas Röthel, Helmut Sacha)

·         Baureferat – Untere Denkmalbehörde

·         Sachgebiet Grünflächen

·         Amt für Kultur und Tourismus

·         Künstlerin Frau Tesche-Mentzen

 

Kriterienkatalog für Standortfrage:

1.    Kriterium: Räumlicher Kontext (Bezug zu städtebaulichen Elementen wie Straßen, Plätzen, Gebäuden, Denkmälern (=Ensemblebereich, jedoch kein Ausschlusskriterium), Grünanlagen, Straßenverkehrswegesicherung, Rettungswegesicherung) untersucht.

2.    Kriterium: Künstlerischer Kontext (Innovationsgrad, die Originalität und die Bedeutung des Kunstwerkes, Gestaltungsmittel mit Formen, Oberflächenbeschaffenheit, Materialität, Größe, Komposition, …)

3.    Kriterium: Zeitgeschichtlicher Kontext (in welchem historischen, gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bedeutungszusammenhang befindet sich das Kunstwerk? Welche Erkenntnisse transportiert es?)

4.    Kriterium: Wert des Kunstwerkes (welchen Wert das Kunstwerk in räumlich-kontextueller, künstlerischer, historischer und gesellschaftlicher Hinsicht besitzt.)

 

Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Beurteilung bitten wir die Stadträtinnen und Stadträte sich vom jeweiligen Standort vorab ein Bild zu machen.

Der Schul- und Kulturausschuss empfiehlt dem Stadtrat im Ergebnis drei Standorte aus diesem Bewertungsschemata:

 

 

Standort

Bewertung

+++ = sehr gut geeignet, ++ = gut geeignet, + = geeignet,

- = ungeeignet

1

Grünfläche hinter Herberge zur Heimat zum Rezatparkplatz hin

Stimmige Umgebung

Historische Stadtmauer ist Baudenkmal, ein gewisser Abstand wäre notwendig und Ensemblebereich (genauen Standort mit UDB absprechen)

Ein sehr interessanter Ort, der mit Bezügen zur Ansbacher Stadtmauer, Grünflächen und hohen Bäumen einen guten Standort für die Figur „Lilith“ bieten kann, vorausgesetzt sie

wird nahe am Fußweg gesetzt.

 

+++

2

Stadtgarten (Verbindung Schalkhäuser Straße und Endresstraße)

Die überschaubare Grünanlage mit Spielgeräten und Sitzgelegenheiten bietet einen guten Standort für die Figur „Lilith“. Genau vor dem Onolzbach und seiner Uferbegrünung stehend und mit Blick auf die Fußgänger aus der Richtung der Ansbacher Altstadt kann die eher kleine Figur den Raum, der sie umgibt, recht gut bespielen.

Insgesamt weniger frequentiert, sehr kleinteilig, nur bedingt Ensemblebereich, aber Alleinstellungsmerkmal

++

3

Die Rasenfläche im Stadtgraben unterhalb der Jahnstaße

 

 

 

 

Gegenüber dem Boulodrome in der Mitte des Stadtgrabens und unterhalb der Jahnstraße 16a würde sich eine Umgebung finden lassen, die die Figur recht gut zur Geltung bringen würde.

Abstimmung mit Unterer Denkmalbehörde notwendig – Ensemblebereich.

Der Standort geht allerdings nicht mit den aktuellen laufenden Überplanungen des Stadtgrabens einher (Grünflächen und Spielplatz). Im Anschluss an die Mäuerchen sind Sitzdecks zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität geplant. Die scheinbar noch freien Bereiche im Stadtgraben sind beim Stadtgrabenfest mit Einrichtungen des Jugendamtes belegt.

 

+

4

Im Garten neben Markgräflichen Pavillon hinter Fachoberschule

Die Wiese, umgeben von Sträuchern und mit Baumbestand, vor dem markgräflichen Gartenpavillon mit seinem standesamtlichen Trauraum stellt einen geeigneten Platz dar. Er wäre geeignet die Figur „Lilith“ zur Geltung zu bringen. Der Betonsockel sollte soweit in der Erde versenkt werden, dass die Figur fast ebenerdig zum Stehen kommt.

Allerdings erfordern Hochwasser-Baumaßnahmen und der barrierefreie Umbau der Rampe Eingriffe. Skulptur müsste weiter zwischen Pavillon und Hecke zum Jugendzentrum rücken, was als Abwertung verstanden werden könnte, da kein Fußgängerweg vorbei führt.

 

+

5

Storchenplatz, Luisenstraße (Dekanat)

 Der Storchenplatz mit seinem zentral gelegenen Brunnen bildet einen in sich geschlossenen urbanen Raum, in dessen harmonischer Struktur die Figur „Lilith“ nur als Fremdkörper wirken würde. Möblierung: Bänke und Brunnen,

Ensemblebereich (Absprache UDB vor Aufstellung), Dekanatsgrundstück nicht Eigentum der Stadt;

 

-

6

Joh.-Seb.-Bach-Platz außerhalb Schlosstor

Das mächtige Ansbacher Schlosstor ist ein Wahrzeichen der Rokokostadt. Die eher kleine Figur aus der sumerischen Mythologie dauerhaft in einen Zusammenhang mit

dem Schlosstor zu sehen, selbst in einer Ecke daneben platziert, kann nicht überzeugen.

Fuß/Radwegebeeinträchtigung, Ensemble und Einzelbaudenkmäler Absprache mit UDB vor Aufstellung

 

­-

7

Stadtgraben

Norden (Martin-Luther-Platz)

 

 

Aktuell Überplanung der Grünfläche und Spielplatz, Skulptur würde Stadtgrabenfest beeinträchtigen,

Es ist von Vorteil die Figur eher in die Umgebung von Natur zu setzen, so wie sie der Stadtgraben bietet. Allerdings ist die ästhetische Wirkung der Figur „Lilith“ nicht von allen Seiten in gleicher Weise gegeben. Die Frontansicht ist

eindeutig die ansprechendere. Hier würde sie zentral stehen.

-

8

Stadtgraben Süden (Platen-Straße)

 

Der südliche Teil des Stadtgrabens mit seinem

abschüssigen Gelände erweist sich nicht als sehr günstig für die Aufstellung einer Figur. Zudem Überplanung Stadtgraben + Grünflächen.

-

9

Promenade (Skulpturenmeile mehrerer Figuren)

Promenade wurde erst fertiggestellt; Einfügen in das Gesamtbild des Ensembles fragwürdig; viele Einzelbaudenkmäler mit imposanter Wirkung; Die Promenade definiert sich konzeptionell als ein Freiraum gegenüber der Verdichtung in der Neustadt. Sie bietet sich für temporäre Ausstellungen größerer dreidimensionaler

Kunstwerke an. Die eher kleine Figur „Lilith“ wäre nicht in der Lage hier einen wirkungsvollen Akzent zu setzen.

-

10

Anglet-Platz

Skulptur Naga instabile bereits vorhanden,

Der Platz zerfällt gestalterisch aufgrund sehr unterschiedlicher Elemente in Teilbereiche, obwohl er auf einen Mittelpunkt mit Gedenkstein zentriert sein könnte. Die

Montageplastik „Naga“ wirkt auf der großen Grünfläche zwischen den hohen Bäumen verloren im Raum. Ähnlich würde es der Figur „Lilith“ gehen, die außerdem auch keinen Bezug zur Städtepartnerschaft mit Anglet hätte.

 

-

11

Vorplatz Brücken-Center

Kein Ensemblebereich, nur Fl.-Nr. 2128/2 Stadt Ansbach, vorhandene Möblierung:

Brunnen, Metzler-Skulptur, Radständer; 12Der Vorplatz ist mit unterschiedlichen Elementen bereits sehr verdichtet.

 

-

12

Platz in der Endresstraße (gg. Gasthof Linde)

 

Gegenüber dem Hotel Zum Lamm wird ganz folgerichtig mit einer Stele an Hans Koessler, den berühmtesten Stammgast des Hauses und einen bedeutenden Musikwissenschaftler und Komponisten, erinnert. Für die Aufstellung eines weiteren Kunstwerks findet sich hier

widerspruchsfrei kein Platz mehr.

Ensemblebereich

-

13

Grünfläche neben Nachtcafé (Residenzstraße)

Der Ort erweist sich nicht sehr günstig für die Aufstellung einer Figur. Sie würde ziemlich verloren wirken. Ensemblebereich

 

-

14

Riviera (hinter Durchgangsschulhaus)

 

Reichliche Möblierung vorhanden: Berliner Mauer, Metzler-Skulptur, zwei Spielgeräte; Info-Stehle, Gastronomie mit Außenbestuhlung,

Ensemblebereich. Der Ort ist eine Schnittstelle mit vielen unterschiedlichen Elementen. Er wirkt bereits über alle Maßen verdichtet. Hier

sollte eher über eine Rückgewinnung und Sicherung von Freiflächen nachgedacht werden.

-

15

Neustadt Fermo Brunnen

Gerade erst fertiggestellt, verfügbarer Freiraum ohne behindernde Wirkung relativ klein, Statue kann evtl. Ausstrahlung nicht entfalten; jedoch Zusammenspiel mit Wasser,

Ensemblebereich; Der Platz ist durch den raumgreifende Springbrunnen, die

Bänke und die Bäume bereits sehr verdichtet.

 

-

16

Kaspar-Hauser Platz vor Markgrafen Museum

Der Eingangsbereich zum Markgrafenmuseum teilt sich den Besuchern bereits sehr stringent und angemessen gestaltet mit. Ensemblebereich und Einzelbaudenkmäler, Probleme mit Vogelkot, Möblierung,

 

-

17

Museumshof

Schöne Umgebung, muss aber nah an der Mauer aufgestellt werden, da sonst Konflikte mit

Veranstaltungen, widerspricht Denkmalschutz weil Abstand zu Historischen Stadtmauer Auflage wäre & Ensemblebereich (genauen Standort mit UDB absprechen); Eigentumsverhältnisse der Kirche im Hof. Ein Museum kann, aufgrund seiner wissenschaftlichen Bearbeitung von Kulturgut, nicht Standort für rein dekorative und kommerzielle Objekte werden, wenn sie nicht explizit der Gegenstand des eigenen Sammelns, Bewahrens und Forschens sind.

 

-

18

Johanniskirche

Chor, Mittlere Nische

 

Es fand sich keine stimmige formale und inhaltliche Begründung dafür die Figur in den räumlichen Kontext des Chors der gotischen Johanniskirche mit seinen Strebepfeilern, Baldachinen und Statuen zu setzen. Sie

kann hier ästhetisch nicht mit den Vorgaben standhalten. Eine Umgebung, die streng und klar durch Pflaster und Mauerwerk bestimmt ist, erweist sich auch als ungünstig für

den etwas sehr freien und organischen Aufbau der Frauengestalt. 

Übermöblierung des Martin-Luther-Platzes (AnsBACH-Säule, 2 Skulpturen Röthel)

 

-

19

Karl-Burkhardt-Platz (größerer Abstand)

Vorschlag von Frau Tesche-Mentzen,

Ensemblebereich,

§ 14 UrhG Anspruch?

-

20

Johann-Sebastian-Bach-Platz 22

Verkehrs- und Rettungswege, Ensemblebereich mit Denkmalschutz

-

 

Schreiben von Antje Tesche-Mentzen vom 27. August 2020 an die Fränkische Landeszeitung mit der Bitte um Weitergabe an die Stadträte:


Nachdem meine, von der Stadt Ansbach vor einiger Zeit erworbene Bronzeskulptur ‚Lilith‘ u.a. in der Zeitung laufend und ambivalent besprochen wird, möchte auch ich mich dazu äußern.

Es ist sehr betrüblich, dass dieser Ankauf zu einer politischen Auseinandersetzung geführt hat. Vergessen sind die vielen positiven Stimmen zu meiner Ausstellung im Rahmen der Ansbacher Skulpturenmeile 2019. Jetzt scheint es nur noch um negative Stimmungsmache zu gehen. Natürlich muss und mußte Kunst das immer aushalten. 

Aber einen Anwalt einschalten? Auch mir wurde geraten, eine Verleumdungsklage wegen falscher Behauptungen und ehrabschneidenden Unterstellungen zu beauftragen. Aber ich möchte nicht streiten. Es gibt in der Welt im Moment wichtigere Probleme.

 

Der jetzige Standort wurde mir von der Stadt vorgeschlagen und die ‚Lilith‘ von ihr dort auch aufgestellt. Ich würde mich gerne grundsätzlich dafür aussprechen, meine Skulptur auch dort zu belassen. Gegebenenfalls könnte man den Abstand zu dem Simon Marius Denkmal etwas vergrößern? Unterschiedliche Kunstauffassungen können durchaus anregend sein, wie uns z.B. die Museen laufend zeigen. Die Nähe zur abstrahierten Steinskulptur von Herrn Schelle habe ich nicht als störend oder als Konkurrenz empfunden. Simon Marius - was ich damals noch garnicht wußte - hat sich ja nicht nur mit Astronomie beschäftigt. Er war neugierig und bereit auch z.B. Gegensätzliches zu erforschen. 

Für mich ist die ‚Lilith‘ - sehr zeitgemäß - ein Sinnbild für Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau; selbstbewußt und stark. Leider gefällt das einigen Menschen nicht - sie können ja einfach an ihr vorbeigehen. 

 

Es wäre für einige Kritiker doch angesagt, sich meine, hier nur angedeutete Vita anzusehen: Neben einer Vielzahl von nationalen und internationalen Ausstellungen gab es Preise, Fernsehfilme und Buchveröffentlichungen. Fernsehdiskussionen z.B. zum Thema: 'Was heißt da Kunst?‘ mit Lothar Günter Buchheim und Professor Werner Schmalenbach und anderen. Oder über das Thema ‚Gott und das Universum‘ mit mir als Vertreterin der Kunst, großen Theologen und einem Professor der Astrophysik. Und Vieles mehr...

Dies wird mir sicher sofort als Wichtigtuerei angekreidet. Aber ich habe leider das Gefühl, mich als erste, von der Stadt Ansbach zur alleinigen Ausgestaltung  der  Skulpturenmeile beauftragte Frau, gegen einige ‚Kunstsachverständige‘ verteidigen zu müssen.

In meinem langen Berufsleben als Künstlerin ist mir so etwas wie in Ansbach noch nie passiert.

 

Gerade geht meine große Einzelausstellung auf Schloss Hartmannsberg im Chiemgau, nach einmonatiger Verlängerung, aufgrund  der großen Begeisterung zu Ende.

 

Ich hoffe, dass es der Stadt Ansbach gelingen wird, auf die inzwischen sogar aggressiven Aktionen mit Klugheit und Weitsicht zu antworten und es zu einer für alle zufriedenstellenden Einigung kommen kann.

 

Antje Tesche-Mentzen

Buchauerstr. 12

81479 München

Tel: +49 89 79 63 76

Mobil: +49 172 77 98 092

Fax: +49 89 749 75 989

Atelier:

Hafendorf 2

83139 Söchtenau

Tel: +49 8053 98 51

antjeteschementzen@me.com

www.antje-tesche-mentzen.de

 

Denkanstöße zur aktuellen Lilith-Diskussion in Ansbach von Daniel Hahn

 

Denke ich einige Jahrzehnte zurück so musste man Kunst im öffentlichen Raum in Ansbach noch suchen. Heute zeigt sich hier ein ganz anderes Bild. Ansbach präsentiert sich als Ort der Kunst, besonders im historischen Zentrum, an "jeder Ecke" findet man Kunstwerke. Auch wenn manchem Zeitgenossen das vielleicht als zu überfrachtet erscheinen mag, ist die Tatsache dass die Stadt der Kunst so viel Raum gibt etwas sehr erfreuliches. Manch anderer Stadt täte so etwas gut. Im Innenstadt-Bereich sind die Kunstwerke mancherorts sehr eng beisammen, modernes steht neben historischem, immer gab es Diskussionen über ein neu dazu gekommenes Werk.

Das Marius-Denkmal bzw. -kunstwerk am Schlosstor führte im wahrsten Wortsinne in den vergangenen Jahrzehnten ein Schattendasein. Es lag am Wegesrand und noch dazu liegt Marius in Form seines Kopfes am Boden neben seinem "Astrogramm". Die Jahre sind an Marius' Kopf nicht spurlos vorbei gezogen und beinahe hatte es den Anschein als blickte er nicht mehr in den Himmel sondern als sei er müde geworden und eingeschlafen. Schließlich hat er seinen wissenschaftlichen Beitrag geleistet und ihm wurde ein schattiges Plätzchen neben der Schlossmauer zugewiesen, wer will ihm da ein Nickerchen verdenken. Zudem haben sich die Leute eh' kaum noch für sein Leben und Wirken interessiert, zwar ist auch eine Straße nach ihm benannt, doch auch Straßennamen haben heute oft nur noch geringe Bedeutung bzw. rufen Interesse hervor.

Plötzlich, nach vielen Jahren, rückt das Marius-Denkmal wieder ins Licht der Öffentlichkeit. Nicht weil man in Archiven gegraben hat um das Wirken eines ansbacher Gelehrten wieder zu entdecken, sondern weil an seiner Seite plötzlich ein weibliches Wesen steht. Marius liegt am Boden, Lilith "steht" über ihm (?). Dominiert sie ihn damit nicht? Wie kann das sein? Ein angesehener Mathematiker an der Schwelle zum 17. Jhd. und diese merkwürdige Frau in seiner unmittelbaren Nähe, in seiner Privatsphäre! Ein Skandal. So eng dürfen Kunstwerke in Ansbach dann doch nicht zusammenstehen! Noch dazu: Die einzige weibliche Darstellung "weit und breit". Einem Mann wie Marius den Rang streitig zu machen, "sich gar über ihn zu stellen", so was geht nicht!

Lilith scheint eine solche Strahlkraft zu haben dass sie das Werk des Marius-Künstlers in den Schatten stellt. Hier hat das Feminine über das Maskuline gesiegt, offenbar ein schwerer Schlag für so manchen ansbacher Bürger, doch ... weit, weit gefehlt:

Ich empfehle dringend jenen so denkenden Zeitgenossen sich einmal mit dem Mythos der Lilith zu befassen bevor sie unreflektiert zur Feder greifen und ihr Missfallen über den jetzigen Standort der Lilith bzw. über das Kunstwerk selbst zum Ausdruck bringen, denn:

Nichts liegt Lilith ferner als Dominanz über den Mann, denn die hat sie überhaupt nicht nötig, denn sie ist bereits dem Mann gleich gestellt, seit ihrer Schöpfung.

Würde Marius heute aus seinem "Dornröschenschlaf" erwachen und die Lilith sehen, so würde er gleich wissen wer da bei ihm steht, denn er hatte als Universalgelehrter keine Scheu sich mit altem Wissen zu beschäftigen das zu seiner Zeit weitgehend noch als Teufelswerk, Ketzerei oder Hexerei galt, wie das heliozentrische Weltbild seiner Zeit in Europa. Wie sein "Frauenbild" aussah wissen wir nicht, vermutlich war er da ein Kind seiner Zeit, doch "verteufelt" bzw. als Konkurrentin angesehen, hätte er seine heutige "Nachbarin" nicht. Vielmehr hätte er mit ihr diskutiert und versucht so vieles wie möglich von ihr zu erfahren um es für seine Suche nach der Wahrheit zu nutzen und davon zu profitieren.

Marius war zeitlebens auf der Suche nach dem Ursprung von Allem und dem großen Ganzen. Als Astronom und Alchemist kannte er die zusammengehörenden Gegensätzlichkeiten die sich in allen Dingen des Kosmos und im Leben offenbaren, Tag und Nacht, Kälte und Wärme, Festes und Flüssiges etc. Sie waren zentraler Bestandteil der damaligen Naturwissenschaften, die weit über Formeln und Gleichungen hinausgingen.

Marius lebte in der Zeit zwischen Reformation und Gegenreformation, am fernen Horizont begannen sich bereits düstere Wolken zu formieren die im Dreißigjährigen Krieg ihren Ausfall finden sollten. Die Zeit war geprägt von tiefen gesellschaftlichen Veränderungen und Umwälzungen, die Angst vor Kriegen, Invasionen (etwa der Osmanen) mischte sich mit der Furcht vor dem Jüngsten Gericht, vor Zauberei, Magie und Dämonen und fand hier gerade in Süddeutschland in jener Zeit wieder einen grausamen Ausdruck in der Hexenverfolgung, AUCH in Ansbach, nur findet dieses Thema dort bis heute historisch so gut wie nicht statt.

Die aktuelle Diskussion um die Lilith erweckt in mir den Eindruck als entzünde sich an der Figur eine uralte Denkweise welcher auch mit noch so ausgefeilten Gender-Debatten nicht beizukommen ist. In jedem geschriebenen und gesprochenen Wort wird heute größtmöglicher Wert auf geschlechtliche Neutralität gelegt, was bisweilen groteske Formen angenommen hat. Vor diesem Hintergrund erstaunt mich einmal mehr auch die Lilith-Debatte in Ansbach. Mit Gleichheit hat die herzlich wenig am Hut, manchem Kritiker wäre es wohl zu pass wenn am Schlossplatz ein Scheiterhaufen errichtet würde um die Lilith zu verbrennen.

Ich frage mich warum so viele Menschen in Ansbach an der Figur bzw. ihrem Standort Anstoß nehmen, sich sogar persönlich angegriffen zu fühlen scheinen. Wünsche wie man möge die Figur doch an weniger frequentierte Orte in der Stadt versetzen u. v. a. spiegeln für mich eine tiefe Abneigung. Woher diese rührt damit möchte ich mich nicht befassen. Kunst will und muss diskutiert werden, jeder Künstler lebt auch von der Kritik, sei sie positiv oder negativ und sie kann zu neuer Inspiration führen.

Nichts ist einfacher als Kritik zu üben an etwas bestehendem. Doch selbst etwas zu erschaffen, was später natürlich kritisiert werden kann, dazu gehört so viel mehr. Ein ernsthafter Kritiker muss die Kraft haben etwas was ihm nicht gefällt auch "stehen zu lassen", da zeigt sich eine Charakterstärke welche ich in Ansbach an vielen Leuten aktuell leider sehr vermisse! An dieser Stelle sei aus einem Text von Reinhard Fendrich zitiert in dem er den Umgang mit der Kunst mancherorts kritisch betrachtet: "Ich steh' auf einer Vernissage vor einer grässlichen Collage ... Ein jeder der vorüber geht tut so als ob er was versteht' ...".

Nicht jedem ist es gegeben einen Zugang zur Kunst zu haben. So richtet sich Kunst auch an keine spezifische Personengruppe, schon gar nicht an eine Berufsgruppe. Kunst ist für jeden da. Hinter jedem Kunstwerk steckt ein Mensch, ein fühlender, spürender und vor allem denkender (!) Mensch. Künstler (neutral!) schaffen mit ihren Werken Dinge die Bestand haben, die nicht auf eine Zeitspanne beschränkt sind. Was hat in unserer Zeit Bestand? Jeder Mensch ließt Bücher, hört Musik, sieht sich Bilder an oder geht ins Theater, doch wer schafft das alles was für viele oft nur "Ablenkung" ist?

Allen welche die Lilith nicht ertragen können sei hier gesagt: Es gibt jenseits ihrer Welt noch viele andere Menschen, auf welche das Kunstwerk vielleicht eine völlig andere Wirkung hat. Denken sie bitteschön über ihr eigenes Leben hinaus, nach ihnen kommen andere Generationen die zu der Skulptur vielleicht einen ganz anderen Zugang haben. Sie sind nicht alleine auf dieser Welt und sind nur ein Teil der Bevölkerung, überschätzen sie sich und ihre Sichtweisen nicht. Hören sie auf Frau Tesche-Mentzen persönlich anzugreifen, das ist jenseits jeden Niveaus und bringt nur ihre niedersten Instinkte ans Licht. Wenn sie die Lilith so hassen dann meiden sie einfach das Marius-Denkmal so wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben. Leider wird ihnen dann die folgende Erkenntnis nicht offenbar werden, aber das hätten sie ohnehin nicht gewollt:

Zwei unterschiedliche Kunstwerke können zusammen auch zu einem neuen werden. Bezüge zwischen der Lilith-Figur und ihrem Hintergrund und dem Marius-Denkmal gibt es wahrlich genug. Bezüge sind in der Kunst zentral!

Die vielen Menschen die jedes Jahr Ansbach besuchen, die Einwohner oder die Neubürger hier, alle möchte ich herzlich einladen sich mit dem Thema Lilith und Marius zu befassen. Dabei wünsche ich ihnen ein offenes Herz und einen offenen Geist für die Kunst. Setzen sie sich auseinander, bilden sie sich eine Meinung und reflektieren sie, ohne Vorurteile und Vorbewertungen. Wagen sie es einfach, es lohnt sich immer.

Mögen Marius und Lilith (ganz im Sinne ihrer jeweiligen Hintergründe) zu einer gleichberechtigten Einheit im Herzen von Ansbach werden, das würde ich meiner Geburtsstadt für die Zukunft wünschen.

Falls das nicht möglich ist so wäre Lilith die letzte die hier bleiben möchte, mit ihren ihr von Gott verliehenen Flügeln würde sie dann eines Nachts aus Ansbach für immer verschwinden. Marius würde dann nochmal voller Sehnsucht hinauf zum Mond blicken (vielleicht mit seinem Fernrohr) um dann wieder in einen tiefen Schlaf zu fallen. Dort würde er von der wundersamen und erkenntnisreichen kurzen Begegnung mit einer Gleichgesinnten träumen, was aber keinen Ansbacher mehr interessiert.

Aus der Stadt verschwände ein weiteres Stück freien, offenen und aufgeschlossenen Geistes, ein Stück des "göttlichen" das in Form der Schöpferkraft und Kreativität im Menschen wohnt. Im Schöpfungsmythos heißt es schließlich: "Gott schuf den Menschen (als Mann und Frau) nach seinem Bilde", so zeigt sich in der Kunst etwas übergeordnetes.

Ich wünsche der Stadt dass sie eine einmalige Chance auf etwas besonderes in der Kunstwelt hier nicht verspielt. Es gibt viele andere Orte in Franken und weit darüber hinaus wo Lilith eine neue freundlichere Heimstatt finden kann.

Weiten Sie ihren Blick. Ansbach endet nicht hinter der Kaiser- oder Ludwigshöhe, in Schalkhausen oder am Windmühlberg. Möge ein frischer Wind durch die alte Haupt- und Residenzstadt wehen, so wie er es in vergangenen Epochen immer wieder tat. Ansbach hat eine so reiche Historie und Kultur und seine Geschichte begann weit vor der "ersten urkundlichen Nennung". Kultur in Form von Kunst und Architektur hat die Stadt neben vielem über Jahrhunderte geprägt. Über den alten Hafen in Marktsteft am Main sowie die Italien- und Burgunderstraßen kamen stets neue Impulse nach Ansbach. Die Stadt möchte doch so zeitgemäß und modern wirken und tut dies scheinbar auch. Alle die möchten das das so bleibt und sich in Zukunft auch weiterhin fruchtbar niederschlägt mögen hierzu (auch bei der aktuellen Diskussion) ihren Beitrag leisten.

Wäre Marius derzeit jedoch mit neuen Instrumenten im Gepäck auf dem Weg vom Main in die geistigen Zentren jener Zeit in Franken, so wäre er sicher schon in Uffenheim an der alten Stundentafel in eine andere Richtung abgebogen. So viel Kleingeist in Ansbach hätte er nicht ertragen, da wäre ein Umweg über die Hohe Steige nach Ansbach zur Qual geworden.

Auch Markgraf Alexander würde aktuell ganz sicher Genugtuung empfinden über seine Entscheidung den Großteil seiner Schlossbibliothek aus Ansbach abzuziehen um sie der neuen Universität in Erlangen zur Verfügung zu stellen, genügen zu Ansbach offenbar die alten Schulbücher und simples Handbuchwissen. Dennoch würde er mit seiner "Lady Craven", einer Schriftstellerin, wohl traurig auf das Blicken was in seinem alten Fürstentum heute mit der Kunst und dem Schöngeist angestellt wird, das hat mit aufgeklärtem Geist nicht viel zu tun. Alexander erkannte zu seiner Zeit rechtzeitig, dass alte Weltsichten und über Jahrhunderte tradierte Strukturen bald keinen Bestand mehr haben würden und verließ Ansbach für immer, übergab seine Lande Preußen und setzte sich mit "Betty", wie er Lady Craven liebevoll nannte, in England zur Ruhe. Dort widmeten sich beide den schönen Künsten und der Literatur.

Möge Lilith Ansbach nicht für immer verlassen. Wird sie jedoch an einen abgelegenen Ort verlegt, wo hier niemand mehr an ihr Anstoß nimmt, dann sollte sie es schnellstmöglich tun.

Daniel Hahn, im August 2020.

Daniel Hahn, Basteistr. 14, 91301 Forchheim

dhahn12243@aol.com, historikhahn.de


Beschlussvorschlag:

 

Der Schul- und Kulturausschuss empfiehlt dem Stadtrat gemäß der Bewertung folgende Standorte:

  • Grünfläche hinter der Herberge zur Heimat
  • Stadtgarten
  • Rasenfläche im Stadtgraben unterhalb der Jahnstraße
  • Garten neben dem Markgräflichen Pavillon, hinter der Fachoberschule